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Eva Rudolf-Müller
Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.
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Das X-Chromosom ist eines von zwei Geschlechtschromosomen (das andere ist das Y-Chromosom). Frauen besitzen zwei X-Chromosomen, Männer dagegen ein X- und ein Y-Chromosom. Lesen Sie hier alles Wichtige über das X-Chromosom!
Was ist das X-Chromosom?
Das X-Chromosom ist eines der beiden Geschlechtschromosomen (Gonosomen). Die Frau besitzt zwei X-Chromosomen (XX), der Mann je ein X- und ein Y-Chromosom (XY).
Das X-Chromosom ist größer als das Y-Chromosom. So wie alle Chromosomen besteht es aus Desoxyribonukleinsäure (DNS, engl. Abkürzung: DNA) und speziellen Proteinen. Die DNA ist der Träger der Erbinformationen (in Form von Genen). Auf dem X-Chromosom sitzen etwa 2000 Gene.
Welche Funktion hat das X-Chromosom?
Die Geschlechtschromosomen (X- und Y-Chromosomen) legen das genetische Geschlecht eines Menschen fest. Um das zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen:
Die Zellkerne fast aller Zellen im Körper weisen einen doppelten (diploiden) Chromosomensatz auf: 46 Chromosomen, bestehend aus 22 Autosomen-Paaren und zwei Geschlechtschromo-somen. Das Kürzel für den weiblichen Chromosomensatz lautet deshalb 46XX und für den männlichen Chromosomensatz 46XY.
Ei- und Samenzellen
Nur die Keimzellen – also die Eizellen der Frau und die Samenzellen (Spermien) des Mannes – haben einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz: Die Vorläuferzellen von Ei- und Samenzellen sind noch diploid. Sie durchlaufen dann die sogenannte Reduktionsteilung (Meiose), in deren Verlauf der doppelte Chromosomensatz halbiert wird. Aus der Meiose gehen also haploide Tochterzellen hervor – die reifen Keimzellen. Sie besitzen jeweils 22 Autosomen und ein Geschlechtschromosom (Gonosom).
Da Frauen als Geschlechts-Chromosomen nur X-Chromosomen besitzen, enthält auch jede ihrer Eizellen nur ein X-Chromosom. Anders bei Männern, die als Gonosomen ein X- und ein Y-Chromosom aufweisen: Die Samenzellen tragen entweder ein X-Chromosom oder ein Y-Chromosom in sich – je nachdem, welches der beiden Gonosomen sie von ihren Vorläuferzellen bei der Meiose erhalten haben.
Befruchtung
Bei der Befruchtung verschmilzt eine Eizelle mit einer Samenzelle (Spermium). In Bezug auf die Geschlechtschromosomen bedeutet das: Das Geschlechtschromosom aus der Eizelle (ein X-Chromosom) und jenes aus der Samenzelle (entweder X- oder Y-Chromosom) vereinigen sich in einer gemeinsamen Zelle, aus der sich dann der Embryo entwickelt.
Sohn oder Tochter?
Das genetische Geschlecht des Kindes wird also von der Samenzelle (und damit vom Vater) festgelegt:
- Wenn ein Spermium mit einem X-Chromosom die Eizelle (mit X-Chromosom) be-fruchtet, trägt der entstehende Embryo je zwei X-Chromosomen in seinen Zellen – es wird ein Mädchen.
- Verschmilzt ein Spermium mit Y-Chromosom mit der Eizelle, weisen die Zellen des entstehenden Embryos jeweils ein X- und ein Y-Chromosom auf – es entwickelt sich ein Junge.
Geschlechtsgebundene Gene
Alle Gene, die auf den Geschlechtschromosomen lokalisiert sind, werden als geschlechtsgebundene Gene bezeichnet. Sie enthalten entgegen der Vermutung aber nicht nur die Erbinformation für Geschlechtsmerkmale (Ausbildung der Eierstöcke, männliche Brustbehaarung etc.). Auf dem X-Chromosom (ebenso wie auf dem Y-Chromosom) sitzen auch Gene, die für Merkmale codieren, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, zum Beispiel die Baupläne für die Blutgerinnungsfaktoren.
Wo befindet sich das X-Chromosom?
Es befindet sich in allen Zellkernen von weiblichen und männlichen Körperzellen.
Welche Probleme kann das X-Chromosom verursachen?
Manchmal finden sich auf dem X-Chromosom auch Erbinformationen, die – wenn sie fehlerhaft sind – zu einer gesundheitlichen Störung oder Erbkrankheit führen. Bei Beinspiel für eine solche geschlechtsgebundene Erbkrankheit ist die Duchennesche Muskeldystrophie. Bei dieser Krankheit fehlt auf dem X-Chromosom das Gen, das ein Muskelprotein codiert. Als Folge entwickeln die Patienten Muskelschwäche und Koordinationsstörungen.
Die Bluterkrankheit (Hämophilie) wird ebenfalls x-chromosomal vererbt. Das Gen, das für einen bestimmten Gerinnungsfaktor codiert, ist defekt. Der Körper kann deshalb nicht genügend funktionstüchtige Exemplare dieses Gerinnungsfaktors herstellen. Die Folge ist eine erhöhte Blutungsneigung und eine verlängerte Blutungszeit (etwa bei Verletzungen).
Allerdings wird nicht jeder Mensch, der das „Bluterkrankheits-Gen“ in sich trägt, auch daran erkranken. Die Erbkrankheit wird nämlich rezessiv vererbt: Bei Frauen tritt die Erkrankung also nur dann auf, wenn beide ihrer X-Chromosomen das Bluterkrankheits-Gen besitzen (was sehr selten passiert). Häufiger findet sich das Bluterkrankheits-Gen nur auf einem X-Chromosom, während das zweite X-Chromosom ein gesundes Gen hat. Die betreffende Frau hat dann die Bluterkrankheit nicht. Sie kann die Veranlagung dafür (über das defekte X-Chromosom) an ihr Kind weitergeben. Handelt es sich dabei um einen Sohn, erkrankt dieser auf jeden Fall an der Bluterkrankheit (er besitzt ja kein zweites und eventuell gesundes X-Chromosom, das den Defekt ausgleichen könnte).
Die Farbenblindheit (Rot-Grün-Sehschwäche) ist ebenfalls eine x-chromosomal rezessiv vererbte Störung.
Eine andere genetisch bedingte Erkrankung im Zusammenhang mit dem X-Chromosom ist das Klinefelter-Syndrom, das nur bei Männern auftreten kann. Die Betroffenen haben ein zusätzliches X-Chromosom. Sie besitzen also in ihren Zellen insgesamt drei Geschlechts-Chromosomen (47XXY). Als Folgen sind die Hoden unterentwickelt, die männlichen Brüste oft vergrößert (Gynäkomastie) und die betroffenen Männer unfruchtbar.
Auch Frauen können ein zusätzliches (drittes) X-Chromosom aufweisen (47XXX). Der Chromosomen-Überschuss hat hier aber keine gesundheitlichen Auswirkungen.
Es hat aber schwerwiegende Folgen, wenn eines der beiden X-Chromosomen von Frauen fehlt oder strukturell defekt und somit nicht funktionstüchtig ist (45X0): Dann liegt das Ullrich-Turner-Syndrom (Monosomie X) vor. Typische Anzeichen sind etwa Kleinwuchs, verkürzte Mittelhandknochen, ein tiefer Haaransatz und Fehlbildungen innerer Organe. Auch eine Unterfunktion der Eierstöcke und Unfruchtbarkeit können auf das fehlende X-Chromosom zurückzuführen sein.
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Wissenschaftliche Standards:
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Autor:
Eva Rudolf-Müller
Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.
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Quellen:
- Campbell, N.A. & Reece, J. B.: Biologie. Spektrum Akademischer Verlag. 6. Auflage, 2002
- Horn, F.: Biochemie des Menschen: Das Lehrbuch für das Medizinstudium. Georg Thieme Verlag. 6. Auflage, 2015
- Kainer, F. & Norden, A.: Das große Buch zur Schwangerschaft. Gräfe und Unzer Verlag. 8. Auflage, 2014
- Kainer, F. & Norden, A.: Das große Buch zur Schwangerschaft. Gräfe und Unzer Verlag. 8. Auflage, 2014
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. Walter De Gruyter Verlag. 262. Auflage, 2002
- Waldeyer, A.: Anatomie des Menschen. Walter de Gruyter Verlag. 17. Auflage, 2002
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